Was denn dann? Die Antwort findet sich anhand eines Blicks auf die Entwicklung an den Bondmärkten – und hier insbesondere den amerikanischen Staatsanleihemärkten. Die Zinsen auf richtungweisende US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sind seit Mitte letzter Woche nach oben ausgebrochen.

Die aktuelle Lage lässt sich mit einer Armee vergleichen, die das Frontzentrum des Feindes nach langer Pattsituation durchbrochen hat. Seit dem Überschreiten der Marke von 3,05% sind die Zinsen bis auf 3,25% nach oben galoppiert. Es handelt sich hierbei um das höchste Zinsniveau seit dem Jahr 2011.

Sie wenden ein, dass der Unterschied zwischen den beiden Zinsniveaus nicht sonderlich hoch ist? Was ist so schlimm daran? Auf nominaler Basis wenig. Doch es handelt sich um einen Markt, der sich weitestgehend in Millimetern – anstelle von Zentimetern oder Metern – bewegt.

Die jüngsten Bewegungen haben zu einem wilden Durcheinander geführt. Doch warum ausgerechnet jetzt? In der vergangenen Woche wurden hinters Licht führende Daten aus dem privaten Arbeitsmarkt- und rekordträchtige Daten aus dem Dienstleistungssektor bekannt gegeben.

Diese extravaganten Zahlen nähren die vorherrschende Schilderung einer „überhitzenden“ Wirtschaft. Rekordniedrige Arbeitslosendaten legen ebenfalls nahe, dass die Inflation auf Sicht zulegen wird. Es handelt sich um eben jene Geschichte, die seitens Mainstream-Analysten beständig in den Medien wiederholt wird.

Kletternde Inflationserwartungen haben zur Folge, dass die Marktakteure im Umkehrschluss mit weiteren Zinsanhebungen durch die Federal Reserve rechnen. Doch weswegen sollten steigende Zinsen an den Aktienmärkten für Verblüffung und/oder gar Schrecken sorgen?

Falls die Fed ihren Leitzins anheben muss, um eine „überhitzende“ Wirtschaft abzukühlen, dann je mehr umso besser. Der Wirtschaftsmotor wird dadurch auf eine angenehme Weise am Laufen gehalten, so dass die Wirtschaft weiter brummen kann. Im Umkehrschluss sollten die Aktienmärkte zulegen – und nicht sinken.

Tja, doch unter Bezugnahme auf traditionelle Sichtweisen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften erscheint das Geschäft...kompliziert. Das gesamte Gebiet stützt sich auf ein Tollhaus aus Halbwahrheiten, bedingten Wahrheiten, Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten.

Zwischen den Aktien- und Bondmärkten besteht keine aus Eisen gegossene Verbindung. Beide Segmente können gemeinsam klettern, fallen oder sich unabhängig voneinander bewegen. Kletternde 10-jährige US-Zinsen sind im Allgemeinen positiv für die Wirtschaft, wie es heißt. Doch ab einem gewissen Zeitpunkt wandelt sich der Rückenwind zu einem Gegenwind.

Aus dem Blickwinkel einer Wirtschaft, die derart massiv von einer günstigen Verschuldung abhängig ist, beginnen die Zinsen ab einem gewissen Zeitpunkt zu jucken. Denn kletternde Zinsen verteuern die Kredit- und Verschuldungskosten. Kreditrückzahlungen überlasten die Schultern von Konzernen und Unternehmen. Die Gewinnentwicklung gerät ins Stottern.

Steigende Zinsen belasten ebenfalls die Entwicklung in der breiten Wirtschaft. Die allgemeine Lage an den Hypothekenmärkten trübt sich ein, die Vergabe neuer Kredite gerät ins Stocken, die Fahrzeugverkäufe sinken und die Kreditkartenschulden setzen den Verbrauchern stärker zu.

Kletternde Zinsen an den US-Staatsanleihemärkten ziehen den Aktienmärkten den Teppich unter den Füßen weg. Investoren wenden sich von den Aktienmärkten in Richtung „sicherer“ Häfen an den Bond- und Anleihemärkten ab. Tim Ghriskey, Geschäftsführender Direktor bei Solaris Asset Management, erklärt hierzu wie folgt:

Im Allgemeinen gilt, dass steigende Zinsen die Aktienmärkte teuer und überbewertet aussehen lassen, was insbesondere im Vergleich mit festverzinslichen Alternativanlagen der Fall ist. Wenn die Zinsen einmal auf ein bestimmtes Niveau steigen, liebäugeln Aktienmarktinvestoren plötzlich mit Zinsen in risikolosen Bondsegmenten anstelle von weitaus stärker schwankenden Aktienmarktinvestitionen.

Zur Debatte stehen noch nicht einmal so sehr die kletternden US-Staatsanleihezinsen an sich, sondern vielmehr die Geschwindigkeit, in der sich diese Entwicklung abspielt. An den Aktienmärkten scheinen Investoren mit graduell kletternden Zinsen leben und auskommen zu können. Doch plötzlich und rasant einsetzende Zinsanstiege lassen sich weit weniger gut verdauen. Der Heisenberg-Report führt hierzu wie folgt aus:

Problem, wie es nun einmal immer so ist, ist, dass es eine nur sehr feine Trennlinie zwischen „guten“ und „schlechten“ Zinsanstiegen gibt. Die zuletzt genannten weisen auf einen bevorstehenden Inflationsschock, sich bedeutsam verschärfende Finanzbedingungen und/oder beides hin. Wenn sich die Dinge um eine Abgrenzung zwischen „guten“ und „schlechten“ Zinsanstiegen drehen, gibt es ganz offensichtlich keine festgelegten Regeln. Alles, was zählt, ist die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs. Rasant kletternde Zinsen in einem nur kurzen Zeitablauf können gleichzeitig zu einem Ausverkauf an den Aktien- und Bondmärkten führen.

Die im Februar zu beobachtende „Korrektur“ ist in diesem Hinblick lehrreich. Zuvor befanden sich die 10-jährigen US-Staatsanleihezinsen unaufhaltsam auf dem Weg nach oben. Über einen ganzen Zeitraum wurde diese Entwicklung an den Aktienmärkten ignoriert. Dann folgte die Veröffentlichung des alles verändernden Arbeitsmarktberichts, der auf kletternde Löhne hindeutete.

An den Finanzmärkten kam plötzlich das Gefühl einer zunehmenden Inflation auf. Diese Erwartung ließ die US-Staatsanleihezinsen abermals stark ansteigen. Doch zu stark und zu schnell, wie es nun an den Märkten heißt. Also kam es zu besagter „Korrektur“, die sich in der Spitze auf elf Prozent belief.

Die Frage aller Fragen lautet aus heutiger Sicht wie folgt: Wird der zuletzt zu beobachtende Zinsanstieg an den US-Staatsanleihemärkten erneut eine Korrektur an den Aktienmärkten einläuten? Zum aktuellen Zeitpunkt spiegelt der Zinsanstieg nahezu perfekt den Anstieg wieder, der zu den im Februar zu beobachtenden Turbulenzen geführt hatte.

Aleksandar Kocic von der Deutsche Bank AG schätzt, dass die „rote Zone“, in der kletternde Zinsen auf 10-jährige US-Staatsanleihen die Aktienmärkte bedrohen werden, in einer Spanne von zwischen 3,2% und 3,7% liegen. Um es an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, liegt der Zins auf 10-jährige Staatsanleihen in den USA gerade bei 3,25%.

Und damit befinden wir uns bereits in der Gefahrenzone. An den Aktienmärkten wird diese Entwicklung die Weichen also sehr wahrscheinlich auf Abschwung umstellen. Werden die Bondmärkte zuhören? Diese Frage ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.

Ihr,
Brian Maher

Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © 2018 Brian Maher / The Daily Reckoning / Agora Publishing

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